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2/5/2016 | Varianten elektromagnetischer Ruhestrombremsen unter der Lupe

Federdruckbetätigte oder Permanentmagnet-Bremse: eine Entscheidung, die über Sicherheit, Langlebigkeit, Wartung und Leistung eines Systems bestimmt

Ruhestrombremsen sind dafür vorgesehen, bei ausgefallener Stromversorgung eine Last zu halten oder eine Bewegung zu stoppen. Angesichts der Sicherheitsanforderung, ein System in seiner Stellung zu fixieren, bis es eingeschaltet ist, entscheiden sich Entwickler von Antriebssystemen in der Regel für Ruhestrombremsen. Zwei Technologien dieser Sicherheitsbremsen stehen hierbei zur Auswahl: die eine verwendet Druckfedern, um die Last zu halten, die andere Permanentmagnete. Jede Technologie hat ihre eigenen Stärken und Schwächen – deren Kenntnis sich auf die Sicherheit, Langlebigkeit, Wartung sowie Leistung eines Systems auswirken kann.

Technische Besonderheiten federdruckbetätigter Bremsen

Bei federdruckbetätigten Systemen (Abbildung 1) bringen Druckfedern (1) die Bremskraft auf. Liegt kein Strom an, drückt die Kraft der Federn die nicht mitlaufende Ankerplatte (2) auf den Rotor (3). Die Rotornabe sitzt auf einer Keil- oder Sechskantwelle, die mit der Last verbunden ist Im Ruhestrom-Zustand halten die Federn also den Rotor und damit die mit ihm verbundene Last. Der leistungsfähige Reibbelag (4) am Rotor bestimmt das Bremsdrehmoment.

Durch Bestromen der Spule (6) entsteht eine elektromagnetische Kraft, mit der die Ankerplatte vom Rotor (3) abgezogen wird, sodass sich dieser frei drehen kann. Einmal in Betrieb, ist nur ein Viertel der Anfangsspannung notwendig, um die Federn zusammengedrückt zu halten. Fällt diese Spannung weg, dehnen sich die Federn aus und drücken die Ankerplatte zurück gegen den Rotor, sodass erneut die Reibung entsteht, mit der die Bewegung unterbrochen bzw. die Last gehalten wird.

Technische Besonderheiten von Permanentmagnet-Bremsen

Im normalen Ruhestrom-Zustand erzeugt die in Abbildung 2 dargestellte Permanentmagnet-Baugruppe (1) eine Anziehungskraft auf die Ankerbaugruppe (2), die wiederum mittels Schrauben oder Stiften mit der Lastwelle verbunden ist, sodass die Last gestoppt bzw. gehalten wird.

 

Bei Erregung der Spule (Abbildung 4) wird das Permanentmagnetfeld neutralisiert. Dadurch sinkt das Bremsmoment auf null, sodass der Rotor und die damit verbundene Last frei drehen können (Abbildung 3). Wird die Spannung getrennt, übernimmt wieder die Permanentmagnetkraft, zieht die Ankerbaugruppe an und stoppt bzw. hält so die Last. Da diese Magnetkraft die Metallbauteile anzieht, wird dies als „direkt wirkend“ bezeichnet, während im Unterschied dazu die Mechanik federdruckbetätigter Bremsen „gegenläufig wirkend“ ist.

Für eine maximale Leistung der direkt wirkenden Varianten ist eine direkte metallische Berührung zwischen Anker und Rotor erforderlich. Damit entfällt jegliches Spiel, solange die Bremse aktiviert ist. Diese Technologie ist somit besonders effizient, wenn ein hohes Drehmoment bei kleiner Einbaugröße benötigt wird. Darüber hinaus erlaubt sie schnellere Arbeitsspiele, bei denen die Bremse in kurzen Intervallen aktiviert und deaktiviert wird.

Zur Nutzung dieser Vorteile ist eine durchgängig gleichmäßige Stromversorgung erforderlich. Bremsen dieser Bauart lüften über ein relativ kleines Fenster, normalerweise plus/minus 10 % der angelegten Spannung (Abbildung 4). Außerhalb dieses Fensters ziehen sie wieder an.

Aufgrund dieser engen Grenzen reagieren Permanentmagnet-Bremsen empfindlich auf jede Stromschwankung, sodass Spannungsregler unverzichtbar sind. Da die Bremswirkung durch einen Wechsel der Polarität erreicht wird, führt die Verpolung eines Anschlusssteckers zu einer Fehlfunktion. Daher ist es wichtig, dass die roten und schwarzen Kabel der Stromversorgung korrekt angeschlossen werden.

Auch Temperaturschwankungen wirken sich auf den Stromfluss aus, sodass Permanentmagnet-Bremsen nur unter kontrollierten Umgebungstemperaturen zuverlässig arbeiten. Selbst dann sind sie aufgrund der direkten metallischen Berührung hochgradig empfindlich gegen Oxidation, die zu einer Reduzierung des Bremsmoments führen kann. Werden beispielsweise 1,5 Nm Bremsmoment benötigt, um eine Last zu halten, kann sich die Haltekraft durch Oxidation schon bei Stillstand über ein Wochenende auf 1 Nm reduzieren. Das heißt, die Flächen müssen poliert werden, um das benötigte Bremsmoment wiederherzustellen.

Einsatzbereiche

Im Prinzip können Federdruck- und Permanentmagnet-Bremsen dieselbe Funktion ausführen. Federdruckbetätigte Bremsen spielen in Anwendungen ihre Vorteile aus, bei denen Maschinensicherheit, Wartungsfreundlichkeit, dynamisches Bremsen oder Kosten entscheidend sind. Permanentmagnet-Bremsen werden dagegen bevorzugt, wo es auf Spielfreiheit, kompakte Bauformen, Geschwindigkeit oder schnelle Arbeitsspiele ankommt. 

Maschinensicherheit. Neue Technologien federdruck- und permanentmagnet-betätigter Bremsen bieten vergleichbare Bremsleistungen und mehr Sicherheit als Arbeitsstrombremsen. Allerdings bilden sich durch Verschleiß Luftspalte zwischen den Bremskomponenten, die bei beiden Bremsarten zu Ausfällen führen können. Je höher die Gefahr von Personen- oder Sachschäden beim Ausfall einer Bremse ist, umso vorteilhafter ist der Einsatz federdruckbetätigter Ausführungen.

Dynamisches Bremsen. Federdruckbetätigte Bremsen werden gewählt, um eine Last abzubremsen und anschließend an ihrer Position zu halten. Damit unterscheiden sie sich von Permanentmagnet-Bremsen, die in der Regel nur zum Halten einer Last verwendet werden, da der metallische Kontakt beim Abbremsen einer Bewegung noch schneller verschleißen würde.

Hohe Toleranz gegen Spannungsschwankungen. Kann eine zuverlässig konstante Spannung nicht gewährleistet werden, sind auch hier federdruckbetätigte Bremsen zu bevorzugen. Aufgrund des kleinen Spannungsfensters, in dem der Elektromagnet das Permanentmagnetfeld neutralisiert, sind Permanentmagnet-Bremsen bei schwankenden Temperaturen, elektromagnetischen Einstrahlungen oder sonstigen Störquellen, die sich auf das Magnetfeld oder die Spannung auswirken können, extrem unzuverlässig. Der Einsatz von Permanentmagnet-Bremsen unter stark wechselnden Temperaturen könnte beispielsweise dazu führen, dass die Bremswirkung zum falschen Zeitpunkt eintritt.

Manuelle Freigabe. Darüber hinaus erlauben federdruckbetätigte Bremsen die Einrichtung einer manuellen Lüftung, die über einen Hebel oder sonstigen Mechanismus die Federn zusammendrückt, die den Anker gegen den Rotor drücken. Um die Haltekraft eines Permanentmagneten zu lösen, ist dagegen elektrischer Strom notwendig. Eine manuelle Lüftung kann sowohl für Wartungsarbeiten sinnvoll sein als auch in Geräten der Medizintechnik oder Fertigungsautomatisierung.

Wartungsfreundlichkeit und Langlebigkeit. Ein weiterer Vorteil von Federdruckbremsen besteht darin, dass sie weniger Wartung benötigen als Permanentmagnetbremsen. Der einfachere Aufbau und das moderne Reibmaterial bedeuten weniger Verschleiß, einen geräuschärmeren Betrieb und mehr Haltbarkeit – sämtlich Faktoren zugunsten geringerer Betriebskosten. Der metallische Kraftschluss bei Permanentmagnet-Bremsen führt dagegen zu mehr Verschleiß, mehr Partikelbelastung in der Umgebungsluft und mehr Geräuschentwicklung. Das Ergebnis sind ein höherer Arbeits- und Kostenaufwand für die Wartung sowie eine kürzere Lebensdauer.

Anschaffungspreis. Während alle übrigen Faktoren identisch oder vergleichbar sind, obsiegen Federdruckbremsen spätestens beim Anschaffungspreis. Sie sind preiswerter als Permanentmagnet-Bremsen, da erstens keine Kosten für einen aus Seltenerdmetallen bestehenden Magneten anfallen und zweitens keine derart komplexe, präzise maschinelle Bearbeitung erforderlich ist. Der Anschaffungspreis spielt besonders bei hohen Stückzahlen eine entscheidende Rolle wie zum Beispiel in der Halbleiterfertigung oder im Automobilbau. Permanentmagnet-Ausführungen sind in Anwendungen mit hohen Stückzahlen kaum anzutreffen, da sich bei den Kosten für die Magneten praktisch kein positiver Mengeneffekt ergibt.

Wo Permanentmagnete punkten

Spielfreiheit. Ein deutlicher Pluspunkt von Permanentmagnet-Bremsen gegenüber federdruckbetätigten Modellen liegt darin, dass sie aufgrund der Kombination aus Anker, Membran und Nabe beim Halten einer Last praktisch kein Spiel aufweisen. Bei Federdruck-Bremsen tragen sowohl die Rotor-Naben-Verbindung als auch der Abstand zwischen Ankerplatte und Distanzring zum Spiel bei, wenn eine Last gehalten wird.

Nehmen Sie beispielsweise ein medizinisches Gerät für Augen-Operationen mit einem 1,5 m langen Roboterarm. Fällt der Strom aus, muss sich der Chirurg darauf verlassen können, dass dieser Arm genau in der Position bleibt, in der er sich zum Zeitpunkt des Stromausfalls befand. Schon ein Grad Spiel würde sich durch die Länge des Arms derart potenzieren, dass eine sichere Präzision nicht mehr gegeben wäre.

Wenn jedoch eine Permanentmagnet-Bremse im Betrieb ganz ausfällt, entstehen wiederum andere Sicherheitsrisiken. Aus diesen Gründen werden für solche Anwendungen vorgesehene Bremssysteme mit besonderer Sorgfalt und Präzision entwickelt. Genauso wichtig ist es, diese Systeme in regelmäßigen Abständen auf Zeichen von Verschleiß zu kontrollieren.

Kleine Baugröße. Da die elektromagnetische Kraft den Großteil der Arbeit leistet, arbeiten Permanentmagneten besonders effizient mit kleineren Komponenten. Daher benötigen sie weniger Platz und können auch unter engen Einbaubedingungen genutzt werden. Dieser Faktor wird in medizinischen Apparaturen wie Röntgengeräten oder Mammographie-Scannern, aber auch beim Halten statischer Lasten immer wichtiger.

Geschwindigkeit und schnelle Arbeitsspiele

Permanentmagnet-Bremsen weisen einen Luftspalt zwischen der Ausgangsnaben-Baugruppe und dem Magneten auf. Demzufolge kann sich die Ausgangsnabe frei und mit der Maximaldrehzahl des Motors bewegen. Federdruck-Bremsen haben demgegenüber mehr bewegliche Teile, wodurch sich die Drehzahl einschränkt. Ein Auswuchten federdruckbetätigter Systeme kann die mögliche Drehzahl erhöhen – jedoch mit entsprechendem Kostenaufwand.

Pro und Kontra gut abwägen

Aus rein leistungsbezogener Sicht sind bei einem Drittel aller Anwendungen Federdruck-Bremsen zu bevorzugen, bei einem weiteren Drittel Permanentmagnet-Ausführungen, während sich beim letzten Drittel beide Technologien gleich gut eignen.

Federdruck-Bremsen würden beispielsweise bei der Trimm-Vorrichtung eines Flugzeugs zum Einsatz kommen, da die Permanentmagnet-Version angesichts der zu erwartenden extremen physikalischen Bedingungen nicht zuverlässig funktionieren würde. Auf der anderen Seite empfiehlt sich eine Permanentmagnet-Bremse für medizinische Geräte, wo eine Spielfreiheit gefordert ist und die Spannung besser geregelt werden kann.

Bieten Federdruck- und Permanentmagnet-Lösungen vergleichbare Leistungswerte, wird die Wahl häufig durch den Anschaffungspreis und die Verfügbarkeit bestimmt. Für die meisten Ingenieure ist zudem die sicherste und effektivste Alternative diejenige, mit der sie vertraut sind.

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