Zum Inhalt springen Zur Navigation springen

Kolbenstangenlose Linearaktuatoren bieten gerade bei engen Einbauverhältnissen eine bessere Lastaufnahme als Ausführungen mit Schubstange. Zur Ausschöpfung dieser Vorteile ist jedoch eine sorgfältige Spezifikation unverzichtbar. Ob ein defekter Aktuator ausgetauscht werden muss, eine leistungsfähigere Lösung gewünscht ist oder ein ganz neues Produkt entwickelt wird: Der Erfolg hängt davon ab, wie exakt die anwendungstechnischen Anforderungen spezifiziert wurden.

Im Unterschied zu Kolbenstangen-Aktuatoren, bei denen eine Schubstange nicht-abgestützt aus dem Gehäuse ausfährt, verwenden kolbenstangenlose Aktuatoren einen Schlitten (oder Wagen), auf dem ein schienengestützter Verstellmechanismus die Last hin- und herbewegt. Um eine optimale Kombination aus Wirkungsgrad, Zuverlässigkeit und Leistung zu erhalten, müssen mehrere Variablen sorgfältig aufeinander abgestimmt werden.

Kolbenstangenlose Aktuatoren wurden für eine besonders hohe Präzision entwickelt und bieten eine breite Auswahl an Optionen, je nach Anforderungen des Systemdesigns (Abbildung mit freundlicher Genehmigung von Thomson Industries, Inc.).

Ganz gleich, ob Sie Aktuatoren austauschen oder neu spezifizieren, gelten ähnliche Grundprinzipien. Kolbenstangenlose Aktuatoren werden in erster Linie anhand der Länge, Breite und Höhe ihrer Profile unterschieden. Die gängigen Abmessungen reichen von 40x40 mm bis 120x120 mm. Um innerhalb dieses Spektrums die potenziellen Vorteile auszuschöpfen, gilt es, die benötigte Hublänge, maximale Geschwindigkeit, dynamische Schlittenlast und Lageranforderungen genauestens zu analysieren. Erst anhand dieser Analyse erfolgt die Motorauswahl, ebenso wie die Festlegung der Anbauvorrichtungen und erforderlichen Steuerungsfunktionen. Die zentralen Komponenten in diesem Auswahlprozess sind die Verstellmechanismen und die Führungssysteme, ergänzt um die Spezifikation des Leistungsfaktors, der Motoren und Sensoren sowie des weiteren Zubehörs.

Auswahl der Verstellmechanismen

In kolbenstangenlosen Aktuatoren kommen zumeist Gleit- oder Kugelgewindetriebe oder auch Steuerriemen zum Einsatz. Gleitgewindetriebe: Diese auch als Leitspindel oder Trapezgewindetrieb bezeichneten Lösungen bieten hohe Steifigkeit und Verstellkraft in kompakter Bauform. Die Kraftübertragung zwischen Spindel und Mutter erfolgt gleitend, woraus sich ein hoher Reibungsfaktor und eher geringer Wirkungsgrad ergibt. Andererseits bietet diese Technik den Vorteil einer gewissen Selbsthemmung in Ruhestellung. Die Lebensdauer des Aktuators ergibt sich aus dem Spiel, das durch den Verschleiß zwischen Mutter und Spindel entstehet. Es gibt jedoch mittlerweile Hersteller, die ihre Aktuatoren mit selbstschmierenden Kunststoffmuttern ausstatten, um die Lebensdauer zu verlängern.

Das Verhältnis zwischen Druckbelastung und Geschwindigkeit (PV) ist ein weiterer Faktor, der die Tragzahl und zulässige Drehzahl von Gleitgewindetrieben bestimmt. Druck entspricht Verstellkraft – steigt also die Verstellkraft, sinkt die Drehzahl und umgekehrt. Aktuatoren mit Gleitgewindetrieb können Hublängen von 3 m erreichen, sind aber zumeist in eher kurzhubigen Anwendungen mit geringeren Lasten zu finden.

Ein motorbetriebener Gleitgewindetrieb bietet eine erhöhte Drehmomentdichte und verbesserte Batterie-Laufleistung (Abbildung mit freundlicher Genehmigung von Thomson Industries, Inc.).

Kugelgewindetriebe: Aktuatoren mit Kugelgewindetrieb sind deutlich robuster und eignen sich zudem besser für die meisten Industrieanwendungen. Ein Kugelgewindetrieb-Aktuator auf einem 120-mm-Strangpressprofil mit einer präzisionsgerollten Kugelgewindespindel von 32 mm Durchmesser und 20 mm Steigung bietet beispielsweise eine Verstellkraft von 12.000 N und eine maximale Verstellgeschwindigkeit von 1 m/s bei einer Antriebsdrehzahl von 3,000 U/min. Derselbe Aktuator und Spindeldurchmesser mit 40 mm Steigung bietet dagegen eine Verstellgeschwindigkeit von 2 m/s und eine Verstellkraft von 8.000 N. Eine typische Kombination aus präzisionsgerollter Kugelgewindespindel und Kugelgewindemutter erreicht eine Positions-Wiederholgenauigkeit von ±0,01 mm oder weniger.

Damit bieten Aktuatoren mit gerollter Kugelumlaufspindel eine kosteneffiziente Lösung für Anwendungen mit einem Hub bis zu 3 m. Kugelgewindetrieb-Aktuatoren können ausgewählt werden, um die Leistungsdichte zu optimieren, d.h. eine möglichst hohe Verstellkraft in kleiner Baugröße zu erhalten. Die nominelle Lebensdauer L10 kann genau prognostiziert werden, da es sich bei der Kugelgewindemutter im Grunde um ein Kugellager handelt, das derselben ISO-Berechnung unterliegt. Die Länge der Spindel wirkt sich aufgrund der Knickbelastbarkeit auf die Tragzahl aus, genauso wie die zulässige Drehzahl von der Vibrationsentwicklung allgemein begrenzt wird. Einige Hersteller bauen jedoch zusätzliche Spindelabstützungen ein, sodass unabhängig von der Spindellänge sogar Antriebsdrehzahlen von 3000 U/min möglich sind.

Zwei weitere Faktoren, die zur Tragzahl eines kolbenstangenlosen Aktuators mit Kugelgewindetrieb beitragen, sind die Ausführung der Kugelgewindemutter und die Schlittenlänge. Eine längere oder doppelte Kugelgewindemutter steigert die Verstellkraft, während ein längerer Schlitten die Länge oder den Abstand der Lager sowie die Momentbelastbarkeit erhöht. Thomson Industries bietet beispielsweise einen kugellagergeführten Kugelgewindetrieb-Aktuator mit Einzel- oder Doppelmutter. Die Einzelmutter-Ausführung dieser Einheit mit 80x80-mm-Profil hat einen 200 mm langen Schlitten, eine Verstellkraft (FX) von 3.500 N und ein Nickmoment (My) von 180 Nm. Die zugehörige Ausführung mit Doppelmutter hat einen 280 mm langen Schlitten, eine Verstellkraft (FX) von 5.000 N und ein Nickmoment (My) von 300 Nm. Darüber hinaus verfügt die Doppelmutter selbst über eine höhere Steifigkeit, eine etwas bessere Wiederholgenauigkeit und weniger Axialspiel.

Verstellmechanismen mit Steuerriemen: Auch diese Aktuatoren sind robust und eignen sich für die meisten Industrieanwendungen. Aktuatoren mit zugfesten Steuerriemen vertragen hohe Verstellkräfte, Verstellgeschwindigkeiten bis 10 m/s und sind in der Länge praktisch unbegrenzt. Für Anwendungen, die Hublängen von mehr als 3 m erfordern, sind sie gegenüber Aktuatoren mit gerollter Kugelumlaufspindel die kostengünstigere Alternative. Zudem sind Steuerriemen-Aktuatoren besonders sauber und gleichzeitig unempfindlich gegen Verschmutzung. Ein Steuerriemen-Mechanismus auf demselben 120-mm-Profil wie ein Kugelgewindetrieb hat bei einer Antriebsdrehzahl von 2.308 U/min eine Verstellkraft von 5.000 N und eine Verstellgeschwindigkeit von 10 m/s. Der Riemen-Verstellweg beträgt 260 mm je Treibrad-Umdrehung bei einer Wiederholgenauigkeit von ±0,05 mm.

Auswahl der Führungssysteme

Ein weiterer kritischer Erfolgsfaktor für kolbenstangenlose Aktuatoren ist die sogfältige Spezifikation der Führungssysteme, die den Schlitten stützen, aber auch sämtliche Kräfte, die auf die zu bewegende Last wirken. Zur Auswahl stehen Gleitlager, Kugellager, Kurvenrollen und/oder Räder.

Gleitlager: Gleitlager haben einen höheren Reibungsfaktor als die übrigen Lösungen, kommen aber andererseits häufig ohne Schmierung aus und widerstehen Schmutz oder Nässe. Sie dämpfen darüber hinaus die Vibrationen, laufen geräuscharm und vertragen kurze Hübe bei schnellem Arbeitsspiel. Gleitlager oder -führungen laufen entweder direkt auf dem Aluminium-Strangpressprofil oder auf in das Profil eingelassenen Schienen aus unterschiedlichen Werkstoffen wie gehärtetem Stahl, Edelstahl oder eloxiertem Aluminium. Die Gleitlagerbuchsen können ebenfalls in verschiedenen Materialien ausgeführt sein, z.B. Polymer, PTFE und zahlreiche reibungsarme Kunststoffe.

Kugellager-Führungen: Diese Varianten bestehen aus umlaufenden Kugellagerbuchsen, die am Schlitten montiert sind und auf Schienen aus gehärtetem Stahl laufen, die wiederum auf das Profil oder auf Stahleinsätze geschraubt werden. Sie können entweder als Einzelprofilschiene für einen kompakteren Aktuator ausgeführt sein oder als stabilere Doppelschiene. Kugelführungen bieten eine hohe Genauigkeit sowie Tragzahl und unterstützen mittlere Geschwindigkeiten.

Räder und Kurvenrollen: Diese einfachen und wirtschaftlichen Lösungen laufen gleichfalls auf Schienen aus gehärtetem Stahl, die in das Profil eigelassen sind. Sie bieten hohe Tragzahlen und Geschwindigkeiten bei mittlerer Genauigkeit. Die gekapselten Kugellager sind wartungsfrei und schmutzresistent.

Leistungsfaktor

Der Leistungsfaktor ist eine entscheidende Variable bei der Auswahl eines kolbenstangenlosen Aktuators. Bestimmen Sie nach Berechnung der Last den Leistungsfaktor anhand der vom Hersteller bereitgestellten Tragzahlen in FX-, FY- und FZ-Richtung. Der Verstellmechanismus bewältigt die Kraft der X-Komponente, die Z-Kraftkomponente ist das Gewicht auf dem Schlitten plus jeglicher Kraft, die senkrecht zur Oberkante des Schlittens wirkt, während die Y-Kraftkomponente senkrecht zur Schlittenseite wirkt. Aus diesen Momentlasten (My, Mx und Mz) ergeben sich die Nick-, Roll- und Giermomente.

In einem typischen Arbeitsspiel beschleunigt ein Aktuator, läuft und verzögert mindestens einmal pro Bewegungsrichtung. Es können aber auch viele Zwischenstopps über den Hub vorgesehen sein. Die Momentlasten geben die benötigte Kraft an, um die angetriebene Komponente zu beschleunigen, und deren Position relativ zum Schlitten. Selbst bei angetriebenen Komponenten mit eigenen Führungssystemen wirken Nick- und Giermomente auf den Schlitten.

Motor-Ausführungen

Zum Antrieb von kolbenstangenlosen Aktuatoren kommen hauptsächlich Servo- oder Schrittmotoren zum Einsatz. Gleichstrom- und Wechselstrom-Standardmotoren werden ebenfalls genutzt, allerdings wird ihre Einschaltdauer auf die Anzahl von Starts pro Stunde begrenzt, die der Motor schadlos ausführen kann. Aktuatorenhersteller bieten üblicherweise metrische und NEMA-Montagehalterungen mit oder ohne angebauten Motor. Die Größe des Motors wird letztlich von den Drehzahl- und Drehmoment-Anforderungen bestimmt.

Automatischer Auswahlprozess

Linear MOTIONEERING ist ein Online-Tool, das Thomson für die Auslegung und Auswahl ihrer Linearkomponenten, auch für Linearaktuatoren, anbietet. Die Anwender machen Angaben wie z.B. Umgebungsbedingungen, Wiederholgenauigkeit, Hub, Verfahrweg, Verfahrzeit, Einschaltdauer, Ausrichtung, Lasten und Kräfte, woraus das Tool eine maßgeschneiderte Aktuator-Lösung ermittelt.

Kolbenstangenlose Aktuatoren sind in Verpackungsmaschinen weit verbreitet, da sie effiziente und präzise Lösungen zur Lasthandhabung bieten (Abbildung mit freundlicher Genehmigung von Thomson Industries, Inc.).

Nehmen wir als Beispiel die Konstruktion einer Verpackungsmaschine, die eine Horizontalachse mit einer Hublänge von 1.500 mm benötigt, um Produkte aufzunehmen und in Kartons abzusetzen. Nach Eingabe der Hublänge zusammen mit weiteren anwendungstechnischen Parametern, wie die mit dem Schlitten verbundene Masse, ein etwaiger seitlicher Versatz vom Schlitten zur Mitte der Masse sowie Anforderungen an das Arbeitsspiel, werden die besten und kostengünstigsten Lösungen ausgegeben.

Ist das Aktuator-Grundmodell ausgewählt, hilft das Tool auch bei der Ausstattung mit Sensoren, Montagehalterungen und einem Motor-Anbausatz, einschließlich Schrauben und Kupplungen. Das Ergebnis ist ein vollständiger Bestellcode inklusive aller Preisangaben. Damit nicht genug, berechnet das Tool ein komplettes Bewegungsprofil mit Dauer- und Spitzendrehmomenten, maximalen Verstellgeschwindigkeiten und erwarteter Laufleistung.

Die Mischung macht‘s

Systementwickler, die sich für kolbenstangenlose Aktuatoren entscheiden, stehen vor der Qual der Wahl. Fast jede Kombination aus Gleitgewindetrieb, Kugelgewindetrieb oder Steuerriemen mit Gleit-, Kugellager- oder Rollenführungen könnte zur optimalen Lösung führen. Weitere Faktoren wie Kosten, Verfügbarkeit, Umgebungsbedingungen, und Leistungsfaktor kommen ebenfalls ins Spiel. Daher ist eine erfolgreiche Spezifikation nur dann möglich, wenn die Einsatzszenarios und Ziele über den gesamten Lebenszyklus der Komponente umfassend bekannt sind.

Zum Seitenanfang