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Von Niklas Sjöström
Product Line Manager, Systems Group
Thomson Industries, Inc.

Lineare Achssteuerungssysteme sind einer Vielzahl rauer Industrieumgebungen ausgesetzt. Die sorgfältige Spezifizierung und Auswahl der einzelnen Systemkomponenten, genauso wie eine wohl überlegte Planung, kann die Risiken bei solchen Einsatzbedingungen auf ein Minimum reduzieren.

Ein entscheidender Schritt bei jeder Planung eines Linearsystems besteht darin, die Umgebungsbedingungen zu verstehen, unter denen das System zum Einsatz kommen wird. Die zentralen Vorüberlegungen betreffen die zu erwartenden Temperaturen, das Staub- und Schmutzaufkommen, der Kontakt mit Chemikalien, Strahlwasser, Vibrations- und Stoßbelastungen, Strahlungen sowie weitere relevante Umgebungsfaktoren, denen das Linearsystem ausgesetzt sein könnte. Sie sollten diese Hauptfaktoren dokumentieren, bevor Sie die Werkstoffe auswählen. Sammeln Sie konkrete Daten und untersuchen Sie die Störungsfälle der Vorgängerprodukte, damit Sie auf Grundlage objektiver Fakten anstatt subjektiver Meinungen arbeiten.

Nutzen Sie das Applikationswissen Ihrer Logistikkette, um die passenden Linearkomponenten auszuwählen, indem Sie sich anhand der gesammelten Daten für die geeigneten Werkstoffe, Beschichtungen und Schmiermittel entscheiden. Entwickeln Sie als Nächstes einen Validierungsplan, der Tests sowohl zur Langlebigkeit als auch in Bezug auf die Umgebungsbedingungen enthält. Auf diese Weise stellen Sie sicher, dass die gewählten Werkstoffe die erwartete Lebensdauer und Standzeiten mitbringen. Erwägen Sie zudem die Nutzung eines sogenannten HALT-Prüfverfahren (Highly Accelerated Life Testing), das die Komponenten progressiv steigenden Umgebungsbelastungen aussetzt, die am Ende deutlich über den realen Betriebsbedingungen liegen. Das HALT-Prüfverfahren wird normalerweise während der Entwicklungsphase durchgeführt, um Konstruktionsprobleme und Schwachstellen aufzudecken.

Auswahl der Komponenten anhand der Umgebungsbedingungen

Mittlerweile gibt es moderne Dimensionierungs- und Auswahlwerkzeuge, die dabei helfen, bei den Komponentenwerkstoffen die Umgebungsaspekte eines Linearsystems zu berücksichtigen. Als Nutzer geben Sie die wichtigen Anwendungsparameter ein, die das Werkzeug für Berechnungen nutzt, wie die Belastung/Lebensdauer der Linearlager und Kugelgewindetriebe oder deren kritische Drehzahl. Außerdem wählen Sie Umgebungsbedingungen, von denen die Auswahl der passenden Werkstoffe, Gehäuseausführungen und Schmierpläne abhängt. Sie können beispielsweise folgende Faktoren auswählen:

  • Wasser-/Chemikalien- Sprühnebel/Schleier
  • Stoß/Druckausübung/Vibration
  • Mittleres bis starkes Staubpartikel-Aufkommen
  • Hochdruck-/Hochtemperatur- Strahlwasser
  • Wasser-/Chemikalien- Spritzer
  • Reinraum

Das Programm empfiehlt daraufhin Ausstattungsmerkmale der Lineareinheit, wie verchromte Flächen, Edelstahl-Bauteile oder Polymer-Gleitlager, um den Umgebungsbedingungen stand zu halten.

Leistungsmerkmale der Komponenten

Die Kugelführung oder Auflageschiene, Welle oder Aluminium-Oberfläche stützt das Lager und ist in der Regel in den Werkstoffen Standardstahl, Edelstahl, Armoloy-beschichtet oder verchromt erhältlich. Die Linearlager bestimmen die Traglast und Lastmoment-Kapazität des gesamten Systems. Mögliche Ausführungen sind Linear Ball Bushing-Lager mit Rundschiene, Profilschienen sowie Rollen- oder Polymerführungen. Die meisten sind als standardmäßig korrosionsfeste Linearlager oder als Polymer-Gleitlager erhältlich. Die Schrauben, Bolzen und Muttern, mit denen die Lineareinheit zusammengehalten wird, werden üblicherweise in Standard- oder Edelstahlausführung angeboten. Zur Abdichtung oder zum Schutz einer Lineareinheit reichen die Möglichkeiten vom Verzicht auf eine Abdeckung über Manschetten, Hüllen bis zur vollständigen Kapselung. Schließlich kann bei der Schmierung der Lineareinheit zwischen Standard- oder Reinraum-Schmiermittel gewählt werden.

Lösungen nach Umgebungsszenario:

1 • Sauber – Dieses Szenario kennzeichnet eine normale Produktionsumgebung. Es ist ein gewisses Maß an Staubentwicklung und Feuchtigkeit zu erwarten, aber das Personal arbeitet in dieser Umgebung normalerweise ohne jegliche Schutzausrüstung (Masken, Atemschutzgeräte, Staub- oder Chemikalien- Abzugshauben).

Lösung:

  • Kugelführung: Standard
  • Linearlager: Standard
  • Montagematerial: Standard
  • Abdeckung: Keine Abdeckung
  • Schmierung: Standard-Schmierfett

Argumente für diese Lösungsvariante: Standard-Bauteile aus Aluminium und Stahl sind in solchen Umgebungen ausreichend, da kaum Gefahr ernsthafter Staub- oder Korrosionsbelastung besteht.

2 • Mittlere bis schwere Staubbelastung – In dieser Umgebung besteht eine derart hohe Belastung durch Staubpartikel in der Luft, dass die Arbeiter einen Atemschutz benötigen. Zu den Branchen mit hoher Staubbelastung gehören beispielsweise Papiermühlen sowie Fabriken mit großen Polieranlagen.

Lösung:

  • Kugelführung: Standard
  • Linearlager: Standard
  • Montagematerial: Standard
  • Abdeckung: Gekapselt (im Idealfall), Hüllen oder Faltenbalg-Manschetten sind unter Umständen ausreichend.
  • Schmierung: Standard  

Argumente für diese Lösungsvariante: Standard-Stahlbauteile sind hier ausreichend, da keine Korrosion zu erwarten ist. Vielmehr ist das Eindringen von Partikeln in das Lager, die Kugellaufbahnen und den Antriebsmechanismus (Spindel oder Riemen) zu verhindern. Für große Partikel ist ggf. eine Faltenbalg- Manschette oder eine Aluminium-Hülle ausreichend. Bei feineren Partikeln muss das Linearsystem mit einer zuverlässigen Abdichtung versehen werden, um die oben genannten inneren Bauteile zu schützen. Eine solche Abdichtung kann auf zwei Arten realisiert werden. Die erste ist eine Magnetbanddichtung, bestehend aus magnetischen Edelstahlbändern, die vom einen Ende des Kanals in der Tragkonstruktion bis zum anderen reichen. Die Bänder werden an den Endkappen befestigt und bleiben durch Federdruck immer gespannt. Das Band läuft durch eine Vertiefung des Schlittens, sodass es kurz vor und nach dem Schlitten, der sich über das System bewegt, von den Magneten abgehoben wird. Die zweite Abdichtungstechnologie in Form von Kunststoff-Abdeckbändern verwendet passende Gummistreifen, die wie der Zip-Verschluss eines Gefrierbeutels im Aluminiumprofil einrasten. Durch die ineinandergreifenden Feder- und Nutprofile entsteht eine Labyrinth-Dichtung, die das Eindringen von Partikeln verhindert.

Die Abdichtungs- oder Schutz-Abdeckung einer Lineareinheit reicht von keiner Abdeckung über Manschetten und Hüllen bis zu einer vollständigen Kapselung. Bei der Schmierung im Inneren der Lineareinheit kann zwischen Standard- oder Reinraum-Schmiermittel gewählt werden.

3 • Wasser-/Chemikalien- Spritzer – In dieser Umgebung kann das System vorübergehend mit Flüssigkeit in Berührung kommen. Bei einer größeren Druckanlage, in der die Tintenbehälter regelmäßig ausgetauscht werden, kann es z.B. gelegentlich zu ausgelaufener Tinte kommen. Die Berührung der Linearführungen mit Flüssigkeiten resultiert in dieser Umgebung aus unsachgemäßer Benutzung des Systems oder nicht korrekt angebrachten Komponenten, ist jedoch in der Regel beim normalen Betrieb nicht zu erwarten.

Lösung:

  • Kugelführung: Verchromt
  • Linearlager: Korrosionsfest
  • Montagematerial: Edelstahl
  • Abdeckung: Gekapselt (im Idealfall); Faltenbalg-Manschetten sind unter Umständen ausreichend
  • Schmierung: Standard

Argumente für diese Lösungsvariante: Bei diesen Anwendungen müssen die Kugelführungen und Linearlager korrosionsfest ausgeführt sein. Bei Rundschienenlagern bedeutet das, die Welle muss verchromt oder aus 440C Edelstahl gefertigt sein. Die Linearlager sollten mit verchromten Lagerplatten und Edelstahlkugeln ausgestattet sein. Der weichere Werkstoff Edelstahl der Kugellager und Welle bedeutet normalerweise eine Traglastreduzierung von 30 %, was im Rahmen der Planung zu berücksichtigen ist. Für Profilschienenlager wird eine Dünnschichtverchromung wie Duralloy empfohlen. Gleitlager, häufig als Prismenführung bezeichnet, stellen eine Alternative zu Wälzkörperlagern dar. Die Prismenführungen bestehen aus speziellem Polymer mit hoher chemischer Korrosionsfestigkeit. Je nach Art der Chemikalienspritzer reichen Faltenbalg-Dichtungen möglicherweise aus, eine vollständig gekapselte Einheit ist jedoch vorzuziehen.

4 • Wasser-/Chemikalien- Sprühnebel/Schleier – Diese Bedingungen liegen in Bezug auf die Belastung eine Ebene über den zuvor beschriebenen. Hier gehört ein Sprühnebel oder Schleier zum normalen Betriebsablauf und die Linearführungen sind diesem Effekt direkt ausgesetzt. Eine andere Umschreibung für diese Bedingungen wäre eine kondensierende Umgebung, vergleichbar mit der von Kälteanlagen. Kühlnebel auf Maschinenteilen im Normalbetrieb zählt ebenfalls zu dieser Belastungsklasse. In diesem Szenario kommen das Lager und die Führungen in Kontakt mit der Flüssigkeit, wenn kein mechanischer Schutz angebracht wird.

Lösung:

  • Kugelführung: Verchromt
  • Linearlager: Korrosionsfest
  • Montagematerial: Edelstahl
  • Abdeckung: Gekapselt
  • Schmierung: Standard

Argumente für diese Lösungsvariante: Für diesen Anwendungstypus ist eine vollständig gekapselte Einheit unverzichtbar. Aufgrund der hohen Belastung durch den Chemikalien-Sprühnebel sollte zudem auf Wälzkörperlager verzichtet und stattdessen auf die oben beschriebenen prismengeführten Lager zurückgegriffen werden. Aus denselben Gründen sollte in solchen Umgebungen von einem System mit Kugelgewindetrieb abgesehen werden. Stattdessen ist ein Polyurethan-Riemenantriebssystem besser geeignet, um mit den chemisch- korrosiven Bedingungen zurecht zu kommen.

Die Kugelführung bzw. Auflageschiene und Welle sind häufig in den Werkstoffen Standardstahl, Edelstahl, Armoloy-beschichtet oder verchromt erhältlich. Diese Linearlager-Komponenten bestimmen die Traglast und Lastmoment-Kapazität des gesamten Systems. Sie eignen sich für Anwendungsbereiche wie Standard- Produktionsumgebungen, mittlere bis schwere Staubentwicklung sowie Stoßdruck-Anwendungen mit Vibrationen.

5 • Hochdruck-/Hochtemperatur- Strahlwasser – Diese Umgebung beschreibt in der Regel eine Anwendung der Lebensmittelverarbeitung. Hier werden die Maschinen relativ häufig mit Hochdruck-Strahlwasser gereinigt. Die Schlitten kommen dabei nicht nur mit der Flüssigkeit in Berührung, sondern sind zudem einem beträchtlichen Druck durch den Reinigungsprozess ausgesetzt.

Lösung:

  • Kugelführung: Verchromt
  • Linearlager: Korrosionsfest
  • Montagematerial: Edelstahl
  • Abdeckung: Keine Abdeckung
  • Schmierung: Standard-Schmierfett oder ggf. lebensmitteltauglich bzw. temperaturfest

Argumente für diese Lösungsvariante: Durch das Strahlwasser würden Standardstahlbauteile rosten. Daher müssen verchromte und korrosionsfeste Lager und Kugelführungen sowie Edelstahl-Montagematerial verwendet werden. Prismenführungen sind ebenfalls geeignet, sollten jedoch bei hohen Temperaturen vermieden werden, da ihr Polymer-Werkstoff nicht so temperaturbeständig ist wie metallene Wälzkörper. Die Lineareinheit sollte offen ausgeführt sein (keine Abdichtung) und Spülanschlüsse oder Ablauföffnungen aufweisen, um die Reinigungsflüssigkeit abführen zu können. Bei hohen Temperaturen ist ein spezielles Hochtemperatur-Schmiermittel einzusetzen. Bei derart hohen Temperaturen sollten zudem alle Dichtungen und sonstigen Kunststoffteile entfernt werden.

6 • Reinraum – Hier beziehen wir uns auf eine Reinraum-Umgebung gemäß ISO Klasse 3 (gelegentlich auch als Klasse 1000 bezeichnet), wenngleich einige Linearsystem-Produktreihen auch für Reinraumklasse 100 konfiguriert werden können.

Lösung:

  • Kugelführung: Verchromt
  • Linearlager: Korrosionsfest, alle Dichtungen/Abstreifer entfernt
  • Montagematerial: Edelstahl
  • Abdeckung: Keine Abdeckung
  • Schmierung: Reinraumgeeignetes Schmierfett

Argumente für diese Lösungsvariante: Für Reinraum-Umgebungen muss die Partikelbildung durch die Bewegung des Linearschlittens auf ein Minimum begrenzt werden. Metallbeschichtungen sind notwendig, um ein Rosten völlig auszuschließen. Außerdem müssen alle gleitenden Bauteile entfernt werden. Das heißt: keine Dichtungen/Abstreifer und keine Abdeckung an der Lineareinheit. Es sollte ein spezielles Reinraum-Schmierfett verwendet werden.

7 • Stoß/Druck/Vibration– Dieser Anwendungstypus findet sich in vielen unterschiedlichen Prozessen. Rüttler und Vibrationstische, die in Sortieranlagen zum Einsatz kommen, gehören zur dieser Kategorie. Genauso zählen Anwendungen, die aufgrund hoher Anfangs-Aufpralldynamik einen ungewöhnlich hohen Druck auf die Schlitten oder Sattel ausüben.

Lösung:

  • Kugelführung: Standard
  • Linearlager: Polymer-Gleitlager
  • Montagematerial: Standard
  • Abdeckung: Optional
  • Schmierung: Standard

Argumente für diese Lösungsvariante: Polymer-Lagerbuchsen, wie bereits erwähnt auch Prismenführungen genannt, kommen mit hohen Stoßbelastungen besser zurecht als Wälzkörper. Unter solchen Bedingungen können Wälzkörper auseinanderbrechen oder sich aufgrund ihres punktuellen Kontakts mit der Lagerfläche in der Kugellaufbahn verkanten. Prismenführungen sorgen dagegen für eine gleichmäßige Verteilung der Last auf der Gleitfläche, was sich bei Vibrationen positiv auswirkt. Je nach Staubentwicklung kann die Verwendung von Prismenführungen ggf. mit einer entsprechenden Abdeckung kombiniert werden.

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